Restschuldbefreiung – das Ende der Insolvenz

Immer mehr private Haushalte in Deutschland sind so verschuldet, dass sie ihre Schulden nicht mehr abbezahlen können – oftmals aus nicht selbst verschuldeten Gründen wie Krankheit, Scheidung oder plötzlicher Arbeitslosigkeit.

Veröffentlicht am: 27.05.2021

Restschuldbefreiung

Seit dem Jahr 1999 können in Deutschland auch natürliche Insolvenzverfahren in Anspruch nehmen. Ziel eines Insolvenzverfahrens ist die sogenannte Restschuldbefreiung, also die umfassende Befreiung von allen Schulden. Durch diesen Schritt wird dem Betroffenen ein persönlicher und vor allem wirtschaftlicher Neustart nach einer Insolvenz ermöglicht. Allerdings ist die Restschuldbefreiung an bestimmte Voraussetzungen gebunden.

 Was versteht man unter Restschuldbefreiung?

Im Rahmen der sogenannten Restschuldbefreiung werden einem Schuldner vom Insolvenzgericht am Ende des Insolvenzverfahrens die noch offenen Schulden erlassen. Das deutsche Insolvenzrecht sieht eine Erteilung der Restschuldbefreiung nach 3 Jahren vor.

 Wie läuft die Restschuldbefreiung ab?

Die Restschuldbefreiung folgt, wie das Insolvenzverfahren an sich, einem klar definierten Weg. Sie kann auf Antrag der Schuldnerin oder des Schuldners erteilt werden, wird jedoch in manchen Fällen auch abgelehnt. Sie gehört zum Insolvenzverfahren, das folgendermaßen abläuft:

Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren: Bevor eine Privatinsolvenz eröffnet werden kann, muss der Antragsteller ein außergerichtliches Einigungsverfahren versucht haben, welches gescheitert ist. Das Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuchs ist durch eine geeignete Stelle zu bestätigen, z. Bsp. durch einen Rechtsanwalt. Die Bestätigung muss dem Insolvenzantrag beigefügt werden. Sollten alle beteiligten Gläubiger das außergerichtliche Angebot des Schuldners akzeptieren, ist die Beantragung einer Insolvenz logischerweise nicht mehr erforderlich.

Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren: Der im außergerichtlichen Verfahren bereits vorgelegte Schuldenbereinigungsplan dient als Grundlage für das Insolvenzgericht, anhand derer sie die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren überprüft. Dies kommt jedoch in der Praxis nur sehr selten vor, da die beteiligten Gläubiger bereits im vorigen Schritt Stellung bezogen haben.

Insolvenzplanverfahren: Falls der Schuldner während des laufenden Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern zu einer Einigung kommt, kann das Verfahren vorzeitig beendet werden.

Gerichtliches Insolvenzverfahren: Wenn alle außergerichtlichen Einigungsversuche gescheitert sind, beginnt das gerichtliche Insolvenzverfahren. Der Antrag auf Restschuldbefreiung muss zusammen mit dem Antrag auf Insolvenz beim Insolvenzgericht gestellt werden. Außerdem muss der Schuldner erklären, dass er seine pfändbaren Einkünfte ab Insolvenzeröffnung an den sogenannten Treuhänder/Insolvenzverwalter abtritt, der die sogenannte Insolvenzmasse (das pfändbare Vermögen/Einkommen des Schuldners) gleichmäßig an die Gläubiger verteilt.

Wohlverhaltensphase:  Wenn der Insolvenzantrag vollständig und zulässig ist, eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. der Regel werden Insolvenzanträge sehr zügig bearbeitet, sodass eine Eröffnung der Privatinsolvenz häufig bereits innerhalb weniger Tage erfolgen kann. Damit beginnt die sogenannte Wohlverhaltensphase. Während dieser Wohlverhaltensperiode muss der Schuldner bestimmten Obliegenheiten nachkommen, um anschließend die Restschuldbefreiung zu erhalten.

Restschuldbefreiung: Nach erfolgreichem Abschluss der Wohlverhaltensphase erlässt das Gericht auf Antrag des Schuldners alle noch offenen Schulden. Vor dieser Entscheidung muss das Gericht jedoch die Gläubiger, den Treuhänder und den Schuldner anhören. Wenn in diesem Zusammenhang weder der Treuhänder noch ein Gläubiger einen Versagungsantrag stellt, muss das Gericht die Restschuldbefreiung erteilen - unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Gläubiger befriedigt wurden.

 Wie lange dauert es bis zur Restschuldbefreiung?

Die Restschuldbefreiung, also die Erlassung aller noch nicht getilgten Schulden, erfolgt nach erfolgreicher Wohlverhaltensphase.

Nach einem neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung soll in Zukunft ein neues und verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren eingeführt werden. Bisher war die Restschuldbefreiung erst nach sechs Jahren möglich. Mit dem Entwurf vom 01.07.2020 soll die Restschuldbefreiung nun bereits nach drei Jahren erfolgen. Damit wird die EU-Restrukturierungsrichtlinie 2019/2023 umgesetzt.

Das neue Verfahren ist als Teil des im Rahmen der Corona-Krise beschlossenen Konjunktur- und Krisenmanagementpakets. Für alle Verbraucherinsolvenzverfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 eröffnet werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, das verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren in Anspruch zu nehmen. Dies wird insbesondere denjenigen helfen, die durch die Corona-Pandemie in die Insolvenz getrieben wurden. Insbesondere müssen für die Restschuldbefreiung keine weiteren Voraussetzungen mehr erfüllt werden - bisher musste beispielsweise die Übernahme der Verfahrenskosten gewährleistet sein.

Grundsätzlich sollen alle Schuldner von dem neuen Restschuldbefreiungsverfahren profitieren. Für Verbraucher - also Privatpersonen - gibt es allerdings eine Frist bis zum 30. Juni 2025. Ob diese Frist in Zukunft entfällt, wird die Bundesregierung auf der Grundlage eines bis zum 30. Juli 2024 vorzulegenden Berichts entscheiden.

Bei Insolvenzverfahren, die zwischen dem 17.12.2019 und dem 30.9.2020, also vor der Einführung des neuen Gesetzes, angemeldet wurden, verkürzt sich die bis dato sechsjährige Wohlverhaltensphase monatsweise:

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.12.2019 - 16.1.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

5 Jahre, 7 Monate

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.1.2020 - 16.2.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

5 Jahre, 6 Monate

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.2.2020 - 16.3.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

5 Jahre, 5 Monate

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.3.2020 - 16.4.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

5 Jahre, 4 Monate

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.4.2020 - 16.5.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

5 Jahre, 3 Monate

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.5.2020 - 16.6.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

5 Jahre, 2 Monate

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.6.2020 - 16.7.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

5 Jahre, 1 Monat

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.7.2020 - 16.8.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

5 Jahre

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.8.2020 - 16.9.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

4 Jahre, 11 Monate

INSOLVENZ­ANTRAG GESTELLT AM:

17.9.2020 - 30.9.2020

DAUER DER WOHL­VER­HALTENS­PHASE

4 Jahre, 10 Monate

 Ablauf in der Wohlverhaltensphase

Während der Wohlverhaltensphase im Zuge des Insolvenzverfahrens müssen Schuldner ihr Nettoeinkommen genau angeben. Den Betrag bis zur Pfändungsfreigrenze dürfen sie behalten. Der Betrag, welcher über dieser Grenze liegt, wird an den Treuhänder abgeführt, welcher das Geld gemäß ihren jeweiligen Ansprüchen an die Gläubiger verteilt.

Während dieser Zeitperiode verpflichten Schuldner sich zu „Wohlverhalten“. Auf diese Weise zeigen sie, dass sie gewillt sind, ihre Schulden zu begleichen. Sie müssen zum Beispiel stets für das Insolvenzgericht oder den Insolvenztreuhänder erreichbar sein. Sie dürfen außerdem keine Straftragen begehen und verpflichten sich zur ehrlichen Auskunft über ihre Einkünfte.

 Pflichten des Schuldners

Damit die Restschuldbefreiung bewilligt wird, müssen Schuldner bestimmte „Obliegenheiten“ erfüllen, die in Paragraf 295 der Insolvenzordnung aufgeführt werden. Dazu gehören:

Aktive Bemühung um Erwerbstätigkeit: Der Schuldner hat die Pflicht, sich aktiv um eine geregelte Arbeit zu bemühen und zumutbare Jobangebote anzunehmen.

Vermögen durch Erbschaft: Im Falle einer Erbschaft oder eines anderen Vermögenszusatzes, muss der Schuldner 50 Prozent direkt an den Treuhänder abgeben.

Sicherstellung der Erreichbarkeit: Der Schuldner muss für das Insolvenzgericht sowie den Treuhänder erreichbar sein.

Auskunft über Arbeitsverträge und Gehaltsbescheinigungen: Der Schuldner hat die Pflicht, genaue Auskünfte über aktuelle Arbeitsverträge zu liefern und Gehaltsbescheinigungen sofort vorzulegen.

Ausschließliche Zahlungen an den Treuhänder: Der Schuldner muss  Zahlungen ausschließlich an den Treuhänder leisten. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass alle Gläubiger gleichberechtigt und gemäß ihren Ansprüchen behandelt werden.

 Welche Verbindlichkeiten werden nicht von der Restschuldbefreiung erfasst? 

Nicht alle Verbindlichkeiten werden durch eine Restschuldbefreiung getilgt. Dazu zählen folgende Positionen:

Schulden aus vorsätzlich unerlaubten Handlungen: Dies sind beispielsweise Steuerschulden, die durch vorsätzliche Steuerhinterziehung entstanden sind.

Geldstrafen und -bußen: Etwa für Geldbußen aufgrund grober Verkehrsordnungswidrigkeiten kann keine Restschuldbefreiung beantragt werden.

Zwangs- oder Ordnungsgelder: Z. Bsp. Schmerzensgelder.

Neue Schulden, die während der Wohlverhaltensphase entstanden sind: Wurden während der Wohlverhaltensphase weitere Kredite aufgenommen, fallen die Schulden daraus nicht in die Restschuldbefreiung.

Forderungen aus zinslosen Darlehen: Forderungen aus zinslosen Darlehen können nicht mittels der Restschuldbefreiung getilgt werden.

 Wann kann eine Restschuldbefreiung versagt werden?

Unterschiedliche Gründe können zur Versagung der Restschuldbefreiung führen. Die wichtigsten sind hier aufgeführt:

Fehler im Insolvenzantrag,

Zurückhalten von Informationen oder unwahre Angaben,

rechtskräftige Verurteilung wegen Insolvenzstraftaten (Einträge werden üblicherweise nach fünf Jahren gelöscht.),

falsche Angaben durch den Schuldner bei Banken oder Behörden innerhalb der drei vorhergehenden Jahre,

verschwenderischer Umgang mit dem eigenen Vermögen oder das Eingehen nicht angemessener Verbindlichkeiten,

Verzögerung des Insolvenzverfahrens,

Verletzung der Anforderungen in Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit und

Straftaten während der Wohlverhaltensphase.

 Was passiert mit Forderungen nach der Restschuldbefreiung?

Mit dem Erhalt der Restschuldbefreiung (§ 300 InsO) ist der Schuldner von allen Schulden gegenüber seinen Gläubigern befreit. Die Restschuldbefreiung setzt den Forderungsbestand auf null Euro. Sämtliche noch offenen Forderungen, die er mit in die Insolvenz genommen hat, sind durch die Restschuldbefreiung gegenstandslos. Der Schuldner kann freiwillig Zahlungen tätigen, aber Gläubiger können von ihm kein Geld verlangen.

 Was passiert nach der Restschuldbefreiung?

Mit Erteilung der Restschuldbefreiung haben Betroffene wieder vollständigen Zugriff auf ihre Finanzen. Sie verfügen wieder vollständig über ihren Lohn bzw. ihr Gehalt und müssen grundsätzlich niemandem mehr Rechenschaft über ihre finanzielle Situation ablegen.

Jedoch geht ein Insolvenzverfahren mit einem Eintrag in der SCHUFA einher, der drei Jahre erhalten bleibt – ebenso wie die Forderungen, die nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch nicht bedient wurden. Diesen Eintrag können Schuldner löschen lassen, indem sie der SCHUFA das Formular der Restschuldbefreiung übersenden.

 Kann ich nach einer Restschuldbefreiung noch einen Kredit aufnehmen?

Grundsätzlich sind Anträge auf ein Darlehen nach einer Restschuldbefreiung möglich. Jedoch sind die Aussichten auf eine Zusage zugegebenermaßen eher gering, da der SCHUFA-Eintrag als Negativmerkmal gilt und von den meisten Banken als hohes Risiko gewertet wird. Hier bleibt nur das Abwarten der Löschfristen.

Veröffentlicht am: 27.05.2021